Sozial

Soziale Verantwortung für die Berberfamilien

Traditionelle Handpressung von Arganöl erwirtschaftete über viele Jahrzehnte die höchste Wertschöpfung für die Frauenkooperativen

Der Arganbaum (Arganerie – Argania Spinosa) gilt für die Berberfamilien als „Baum des Lebens”. Er versorgt die Berberstämme mit fast allem, was diese benötigen: Holz als Brennstoff und Gerüst für ihre Lehmhäuser. Die Blätter und der „Presskuchen”, der bei der Herstellung mittels Handpressung anfällt, ist ein nährstoffreiches Futtermittel für die Tiere, da er noch viel Arganöl enthält.

Das Arganöl aus den Arganmandeln dient sowohl als wichtiges Lebensmittel in der täglichen Ernährung, als auch zur wirksamen Haut- und Haarpflege für Babys, Kinder und Erwachsene. Arganöl ist seit jeher auch ein fester Bestandteil in der traditionellen marokkanischen Medizin.

Für die Produzentinnen in der Arganeraie ist Arganöl vor allem wertvoll aufgrund seiner sozialen und ökonomischen Bedeutung und seiner ökologischen Einzigartigkeit.

Nur die Berberfrauen beherrschen die Technik der Handpressung

Die Berberfrauen sind die einzigen, die noch die Fertigkeit der Herstellung von handgepresstem Arganöl beherrschen. Von Generation zu Generation wurde diese besondere Technik weitergegeben.

1998 hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), auf Bitten des Marokkanischen Königs, den Berberfrauen in der Arganeraie eine Selbstverwaltung mit dem Namen U.C.F.A. (Union des Cooperatives des Femmed de l’Arganeraie) gegeben.

Über viele Jahrhunderte war diese Art der Pressung der Arganmandeln die einzige Herstellungsmethode. Heute hat die traditionelle Handpressung nur noch eine Bedeutung für den Tourismus. Die Frauenkooperativen pressen heute ihr Arganöl mit kleinen und großen Pressen aus Edelstahl. Das erleichtert die Arbeit und erwirtschaftet einen höheren Ertrag für die Kooperativen.

Den Frauenkooperativen drohte 2005 die Einnahmequelle durch ihr Arganöl wegzubrechen

Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der traditionellen Handpressung gegenüber der industriellen Erzeugung von Arganöl

Als wir Ende 2004 zum ersten mal in die Arganeraie kamen, standen die Frauenkooperativen vor dem aus. Moderne Pressmaschinen in den Großstädten, die die Arganfrüchte wesentlich effizienter und schneller pressen konnten, nahmen den Familien die Arbeit und damit das Einkommen weg. Maschinell gepresstes Arganöl galt als vermeintlich „modern“ während das traditionell handgepresste Arganöl „veraltet“ und damit als weniger wert angesehen wurde, obwohl die Qualität genauso gut und die handwerkliche Fertigkeit wesentlich aufwendiger ist.

Die unerfahrenen Kooperativen versuchten vergeblich ihr Arganöl auf dem Weltmarkt zu vermarkten. Erst mit der Hilfe und Unterstützung von Argand’Or, das aus dem hochwertigen, aber noch relativ unbekannten Arganöl eine Premiummarke machte, überlebten die vier Frauenkooperativen.

Argand’Or übernahm 2005 die weltweite Vermarktung von handgepresstem Arganöl und sorgt auf diese Weise, in einer fairen und nachhaltigen Partnerschaft mit der U.C.F.A., für den Erhalt und den Ausbau der Kooperativen.

Die Frauen erhielten zum ersten mal ein regelmäßiges Einkommen. Einige lernten im Rahmen der Kooperation Lesen und Schreiben, denn wer in der Kooperative arbeitete nahm auch an den Alphabetisierungsmaßnahmen teil.

Die Frauen wurden geschult und ausgebildet, damit die traditionelle Ölgewinnung den Anforderungen an die europäischen Lebensmittel- und Kosmetikgesetze und der Bio-Verordnung entspricht.

Die regelmäßige Einnahmequelle stärkte das Selbstbewusstsein und die soziale Stellung der Frauen und förderte gleichzeitig die Gleichstellung der Geschlechter. Familien konnten mit dem erwirtschafteten Geld ihre Kinder zur Schule schicken.

Maschinelle Pressung und Handpressung: 

Beide Herstellungsverfahren wurden über viele Jahre von unterschiedlichen Akteuren mit unterschiedlicher Beteiligung an der Wertschöpfungskette angewendet. Das manuelle Verfahren wurde damals in den gewachsenen Dorfgemeinschaften durchgeführt, während das mit hohem Extraktionsgrad arbeitende maschinelle Pressverfahren in Fabriken von privaten Unternehmen, meist in den Großstädten, stattfand.

Die GIZ, die die Herstellung von Arganöl seit vielen Jahren in Marokko begleitet, hat das Marktgeschehen und seine sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung analysiert und in dem Bericht “Wertschöpfungsketten zum Erhalt der biologischen Vielfalt für Landwirtschaft und Ernährung” beschrieben.

„Die industrielle Herstellung von Arganöl fördert die Armut der Berberfrauen"

… so schreibt die GIZ in Ihrer Studie im Jahr 2006. Die industrielle Produktion, wie sie von „einigen privaten Großproduzenten betrieben wurde, setzt eine regelmäßige Lieferung von Früchten und Arganmandeln zur Auslastung der Maschinen voraus. Dies hatte zu einer Verlagerung der Produktion und Ölgewinnung in die urbanen Zentren geführt.

„Für die Produzentinnen blieb ein reiner Rohstoffmarkt, der die dörflichen Familien, die die Nutzungsrechte für die Arganbäume besitzen, zu reinen Rohstofflieferantinnen umfunktionierte. Der Ankauf der Früchte von den Berberfamilien lag primär in den Händen von Grossisten, die mit einem Netz kleiner Aufkäufer zusammenarbeiteten“, beschreibt die deutsche GIZ das Marktgeschehen in der Arganeraie zur damaligen Zeit.

Die Wertschöpfungskette von in Kooperativen erzeugtem Arganöl erfüllt zahlreiche Kriterien der Armutsminderung, verbessert die Lebensbedingungen und sorgt für ein regelmäßiges Einkommen und eine über das Jahr verteilte Beschäftigung.

Der gesamte Herstellungsprozess, von der Bewirtschaftung der Bäume über das Schälen der Früchte bis zur Pressung bleibt in den Händen und unter der Kontrolle der Produzentinnen. Dieses Verfahren sichert die hohe Qualität und den vollen Erhalt der wirksamen Inhaltsstoffe.

Private Vermarkter werben mit positiven Image der Kooperativen

„Einige Privatunternehmen verwenden auch das Bild der ölherstellenden Frauen in der Arganeraie in ihrer Werbung“, bemerkt die GIZ, „ ohne dass diese Produzentinnen an der Wertschöpfung beteiligt werden. So wird das positive Image der Frauenkooperativen eines hochwertigen und wertvollen Öls für die Vermarktung von billigem Arganöl der privaten Ölmühlen aus Casablanca oder Agadir verwendet.“

Traditionelle Handpressung hatte höchstens Wertschöpfungsgrad

Zur traditionellen Herstellung des Arganöls in den Familien schreibt die deutsche GIZ in ihrem Bericht:

„Die Herstellung von Arganöl in den Familien sicherte diesen über das Jahr verteilte Beschäftigung und Einkommen. Das Arganöl bildet für sie oft die einzige Einkommensquelle, über die sie selbst verfügen können.“

Der gesamte Herstellungsprozess, von der Bewirtschaftung der Bäume über das Schälen der Früchte bis zur Pressung, bleibt in den Händen und unter der Kontrolle der Produzentinnen. Dieses Verfahren sichert die hohe Qualität und den vollen Erhalt der wirksamen Inhaltsstoffe.

Die Arganöl-Herstellung in den Kooperativen fördert die soziale Stellung der Frauen und den nachhaltigen Erhalt der Arganbäume

Fördermaßnahmen und Aktivitäten innerhalb der Wertschöpfungskette begünstigen die Gleichstellung der Geschlechter und die politische, wirtschaftliche und soziale Beteiligung von Frauen, besonders im Bereich der Ausbildung. Es fördert die Kommunikation und die Zusammenhalt zwischen den Frauen verschiedener Familien und Dorfgemeinschaften, es stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihre soziale Stellung in der Dorfgemeinschaft.

Das Vermitteln von Wissen über das Funktionieren von Märkten, die Bedeutung von Marketing etc., was u.a. durch das Argand’Or-Projekt praktiziert wurde, stärkt die wirtschaftliche Stellung der Frauen in der Wertschöpfungskette.

Die Unterstützung der Frauenkooperativen trägt auch zum Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen bei. Die nachhaltige Bewirtschaftung der Arganbaumbestände durch die Frauen sichert das Überleben einer Vielzahl von im Schatten seiner Krone wachsenden Pflanzen, die als Nutz- und Heilpflanzen verwendet werden.

Die oben genannten Ausführungen enthalten Auszüge aus der 2006 erschienen Studie der GIZ “Wertschöpfungsketten zum Erhalt der biologischen Vielfalt für Landwirtschaft und Ernährung”.